Das Hotel liegt bei Bastos, dem
Viertel des guten europäischen Kaffees und vieler internationaler Lokale. Hotel
und Stundenhotel in einem. Zimmer der erste Etage für die, die ganze Nächte
schlafen wollen. Zimmer im Erdgeschoss für die, die ins Hotel nicht zum Schlafen
kommen. Klare Sache. Per Zufall fanden wir in einer regnerischen Nacht in
Yaoundé dieses zentralgelegene Etablissement (Artikel hier).
Von unserem Zimmerbalkon hatten wir
freie Sicht auf das Treiben im Innenhof – und das Kommen und Gehen der
Erdgeschossgäste. Und tun wir das nicht alle gerne? Menschen beobachten.
Gucken. Neugierig sein. Eben. Und dazu hatten wir noch einen mündigen Bordeaux
im Kerzenschein zur Hand. Gläser gab’s nicht. Also Plastikflaschen köpfen und
umfunktionieren - zum stilvollen Rotweinglas. Und dann: Weltkino live. Die
Nachtrezeptionistin Amandine *saß mit Bernard*, dem Sicherheitsbeauftragten und
Putzmann Michel* (*Namen geändert) auf der anderen Seite des Gebäudes auf losen
Holzstühlen. Michel wuselte immer wieder mit frischen Laken über den Hof und
Bernard wies hin und wieder die Autos in die richtige Parklücke vor die
jeweiligen Zimmer. Dann fanden die Zimmersuchenden den Weg zu Amandine an ihren
Holztisch. Wenige Worte wurden ausgetauscht. War das Ziel doch klar. Nummer 101
bis 110. Irgendwo dazwischen standen vier dünne Wände mit einem Doppelbett
bereit.
Unsere Weinflasche noch halbvoll. Kurz
vor Mitternacht. Autos kamen rein und raus und hin und wieder mussten sich die
Pärchen noch etwas gedulden, da so reger Betrieb herrschte.
„Katie – kannst du kurz kommen?“ –
Amandine stand vor unserem Balkon und blickte zu uns nach oben.
Ich war etwas verdutzt, was die
Nachtrezeptionistin von mir um Mitternacht möchte, wenn sie doch momentan alle
Hände mit der Zimmerverteilung zu tun hatte. Ich ging aus dem Zimmer, die
Treppen hinunter.
- „Alles ok, Amandine?“ Sie kam auf
mich zu und flüsterte.
„Er will dich.“ Ihr Kopf nickte in die
Richtung des Hoteltors. Dort im Schatten stand ein Mann, der in unsere Richtung
blickte. Ich schätzte ihn südländisch ein –vielleicht Araber oder Südeuropäer.
- „Wie er will mich?“
„Er will dich für die komplette Nacht.
Hat euch da oben auf dem Balkon beobachtet. Blond ist nichts für ihn. Aber du
als Brünette gefällst ihm. Ich soll dich fragen, ob du Interesse hast.“
- „Amandine, nicht dein Ernst jetzt,
oder? Weißt du, wie alt der Typ ist?“
„Ich weiß, Schätzchen. Hab’ ich auch
zu ihm gesagt. Aber er wollte nicht aufhören, mich zu nerven, dass ich dich
frage.“
- „Sag’ ihm, ich bin verlobt und habe
kein Interesse.“
Amandine zwinkerte mir zu, wendete
sich ab und ging mit dieser Absage zu ihm. Die beiden sprachen.
Unsere Blicke trafen sich. Seine
Gesichtszüge blieben starr.
Zurück im Zimmer. „Alles ok, Katie?“,
wurde ich gefragt. „Jep, alles tutti, aber ich brauche noch ein Glas Wein.“
In meinem Kopf sind viele Fragen. Seit
wann hat er mich beobachtet? Wer ist er?
Kurze Zeit später saß ich neben Amandine und beobachtete das Treiben aus einer neuen Perspektive. Eine Nacht als Co-Rezeptionistin eines Stundenhotels. Das war zu verlockend. Ich beobachtete sie – wie sie fein säuberlich die Zimmerbelegung notierte. Minutengenaue Zeitangabe und bereits getätigte Zahlungen. Anonym, ohne Namen.
„Er hat dich schon länger aus dem
Dunkeln dort hinten beobachtet, weil er hier auf eine Frau gewartet hatte.“
- „Wo ist er jetzt?“
„Er kommt wieder.“
Nicht die Antwort, die ich hören
wollte.
Amandine arbeitet hier seit einem
Jahr. Dieser Nachtjob hält sie über Wasser, wie sie mir erzählte. Tagsüber
arbeitet sie als Krankenschwester. Eine Zimmertür öffnete sich und Mann und
Frau steigen ins Auto.
„Er lässt sie vorne an der Straße
aussteigen. Dann kennt man sich nicht mehr“, erklärte mir Amandine. Der Fahrer
blickte im Vorbeifahren zu uns und nickte. Amandine nickte zurück. „Stammgast.“
Michel kommt schon aus dem Zimmer und bringt die gebrauchten Laken in einen
Raum am anderen Ende des Hofes. Es dauerte nicht lange. Der nächste Gast. Auch
er bezahlte im Voraus für die erste Stunde 2000 kamerunische Francs, etwa vier
Euro. „Manchmal bleibt die Tür auch für vier bis fünf Stunden verschlossen“,
erzählte mir Amandine „spätestens um 12 ist Check-out und ab halb 12 klopfen
wir und schauen nach, ob alles ok ist.“
-„Was soll denn nicht ok sein?“, fragte
ich nach.
„Wir hatten hier schon alles, Katie.
Drogen. Blut. Narkose. Diebstahl. Waffen. Mord. Manche Prostituierte tun
vieles, um an Geld zu kommen.“ Keine sei hier ein liebes Mädchen, aber alle
kämpfen für die eigene Familie und die eigenen Kinder, so Amandine weiter.
Schließlich sei die Schule und Ausbildung teuer.
Autoscheinwerfer blendeten uns und
unterbrachen unsere Unterhaltung. Ein BMW mit grünem CD- Kennzeichen. Car diplomatique.
Als er an uns vorbeifuhr, trafen sich
unsere Blicke erneut. Die Anspannung in mir wuchs und ich änderte meine
Sitzposition. Ich wechselte zu einem aufrechteren Sitz. Amandine merkte meine
Stimmungslage und lacht „Ich hab’s dir doch gesagt.“
Die
Nacht ist noch lange nicht zu Ende. FORTSETZUNG FOLGT ...
0 Kommentare:
Post a Comment