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Tuesday, September 17, 2013

Die "Kekse" aka Kondome sind aus! - Nachtrezeptionistin #2

Die Kekse sind aus...



Nummer 104 und 103


Er fixierte mich mit seinen dunklen Augen. Die 2000 Franc knallte er auf den Tisch, ohne Amandine auch nur eines Blickes zu würdigen. Es schien, als galt seine komplette Aufmerksamkeit nur mir. Seine Begleitung stand vor mir. Klein, breite Oberschenkel, Flip Flops, nur mit Slip und einem Fetzen Stoff bekleidet, der die Brüste nicht bedeckte. „Nummer 105“, durchbrach Amandine meinen Moment der Beobachtung. Er drehte sich um – seine Begleitung folgte. Und die Tür mit der Nummer 105 wurde verschlossen.
- „Ist schon komisch, oder? Hier zu sitzen, zu kassieren und zu wissen, was wohl passieren wird.“
„ Jep, es ist ein Job mit vielen Geschichten. Und vielen Schicksalen. Vor allem in einem Land wie Kamerun, in dem Homosexualität verboten ist. Das da drin wird jetzt auf jeden Fall eine Weile dauern.“

Das erleichterte mich etwas, wollte ich doch unbedingt vor dem Öffnen der Türe den Schauplatz verlassen haben.
Die von Amandine angekündigte Weile dauerte um die drei Minuten. Die Tür sprang auf und nackte Brüste hüpften im Gleichschritt des Ganges über den Hof in unsere Richtung. Das war zumindest das Erste was ich vernahm.
Er will sie.“ Dabei nickte seine Begleitung in meine Richtung.
„ Das hatten wir schon geklärt. Sie hat kein Interesse. Und das hat sich nicht geändert. Zudem ist sie eine Freundin des Hauses. Er soll sich nicht so anstellen.“ Amandine verteidigte mich.
Ich blickte dankend zu Armandine und stand auf. „Ist wohl besser, wenn ich gehe“, meinte ich in die Runde.
„Ja, das ist gut. Dann kann ich besser verhandeln und kann auf meinen Marktwert harren“,  kam von der Halbnackten entgegen. Ich musste schmunzeln, das wolle ich natürlich nicht und winkte in die Runde. Michel und Bernard grinsten mich an. Ja, die beiden hatten ihren Spaß. Eine Weiße, die den Marktwert einer kamerunischen Prostituierten in einem schwarzafrikanischen Stundenhotel nicht in Gefahr bringen wollte. 

Auf dem Balkon gab es noch Wein. „Na, genug Studnenhotel-Luft geschnuppert?“, wurde ich geneckt. Meine Blicke glitten wieder zu Amandine. Erneut Perspektivenwechsel. Wir sitzen im Dunkeln und ich sah die Prostituierte mit ihrem Kunden vor Armandine stehen. Ich konnte nur ein Murmeln vernehmen. Zu laut war der Lärm des Straßenverkehrs, der von der belebten Straße in die Einfahrt schwappte. Er ging zurück ins Auto und fuhr fort. Auch die halbnackte Sie machte sich auf den Weg durch das Hoteltor in die Nacht. Es hat inzwischen leicht zu regnen begonnen. Ich machte mich zurück die Treppen hinunter auf meinen Platz neben Amandine, Bernard und Michel.

Diplomat und wollte nur 5000 CFA zahlen. Und er wollte es hart von hinten mit Peitsche“, wurde mir sofort erzählt, ohne dass ich nachfragte. Also knapp acht Euro wollte der Funktionär für die Dienstleistung zahlen. Er weigerte sich mehr zu zahlen, da er mich ja auch nicht haben konnte. Da brach die Prostituierte ab. Also no business, wie Amandine es nannte, aber der findet schon noch eine.
„Dann hat er aber heute ja richtig Pech“, necke ich. Wir vier lachten und beobachteten, wie sich die Tür von 102 öffnet.
Es wurde mir dann doch ein wenig zu viel mit dem Nachtalltagskarussel, in das ich in dieser Nacht so geschlittert bin. Er sei ein Stammgast, ein guter Kunde für’s Hotel, aber ein schlechter Kunde für die Frauen, da er nicht sehr respektvoll sei. Und seine Preise seien nur selten fair. Er nimmt sich, was er will. Funktionär. Araber. Immer mit Dienstwagen unterwegs. Auch Politiker finden Wege hierher. Amandine hörte nicht mehr auf zu erzählen. Die Tore werden dann geschlossen, Lichter erloschen und alle Zimmer komplett vermietet. Worüber vor diesen Toren auf den Straßen nicht gesprochen wird, ist hier Alltag. 

Instant-Kaffee-Zubereitung
Ich atmete lange ein. Irgendwie fühle ich mich etwas schwindelig so mittendrin. Und um drei Uhr morgens.
„Wie wär’s mit einem Kaffee, Leute?“, fragte ich in die Runde.
Bernard begleitet mich zur Imbissbude über die Straße. Alleine solle ich hier um die Uhrzeit nicht mehr unterwegs sein. Nicht als Weiße. Nicht als weiße Frau. Und man weiß nie, wo sich der Araber herumtreibt, wenn er hier in der Nähe auf der Suche ist, so Amandine weiter.

Warum ich nicht verdammt nochmal ins Bett gehe? Das ist wohl die Droge eines jeden Journalisten. Der Kick. Der Reiz, in eine für einen doch so neue Welt einzutauchen und Geschichten zu hören, zu erfahren und sie selbst zu erleben. Nicht einfach nur daneben stehen oder beobachten. Dabei sein.


Wir trinken den Instant-Kaffee. Wohltuendes Gefühl von Koffein durchrauschte den Kopf.
Wieder Scheinwerfer. Er war zurück. Ich blickte zu Bernard. Keine Sorge, dir passiert hier nichts, versicherte er mir. Aber ich musste mir eingestehen, dass sich so etwas wie Angst in meinen Körper schlich. Ein Bauchgefühl. Du brauchst wirklich keine Angst haben, so Bernard erneut. „ Ich habe eine Pistole unter dem Pullover. Du bist hier sicher. Und für ihn ist die Treppe die Grenze. Er hat keinen Zutritt zum Hotelbereich.“ Naja. Da gab es weder eine Tür noch einen Zaun im sogenannten Hotelbereich. Also er hätte sich leicht hinschleichen können. Und selbst ich würde die Hotelzimmer mit einer meiner Haarnadel knacken können. Bevor mein Kopf noch weitere Fantasien spinnen konnte, stand er bereits wieder vor dem Tisch. Dieses Mal zwei junge Mädels als Begleitung. Beide in orange gekleidet. Die eine kurzhaarig, die andere mit langen schwarzen Kunsthaarlocken. „Hast du noch Kekse?“, fragte er Bernard. Ne, seien schon alle weg.
Er ging hinaus in die Straße. Amandine erinnerte mich daran, dass ich wieder atmen könne. Ich hatte die Luft angehalten.
Während er Kondome organisierte, fragte ich die Mädels nach ihrem Alter. 16 und 18.
Zimmer 106 wurde geschlossen. Die 16-Jährige mit den langen Locken zog die Vorhänge zu. Wir blickten einander noch kurz an. Und sie hob als kleine Grußgeste die Hand. Kurz danach hörte man Schläge und Stöhnen durch die verschlossene Tür. Amandine stellte wieder ihre Handymusik an. Die Stimme von Celine Dion tönte durch die Nacht.
Ich verabschiedete mich. An Schlafen war kaum zu denken. Die wenigen Stunden bis Sonnenaufgang wachte ich immer wieder von dumpfen Geräuschen auf. Eine ganz normale Nacht in Yaoundé. Und für mich doch so einzigartig. War es doch meine erste Nacht - so als Co-Rezeptionistin eines Stundenhotels. 


Nachttreiben in Yaoundé










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