Die Kekse sind aus...
Nummer 104 und 103 |
Er fixierte mich mit seinen dunklen
Augen. Die 2000 Franc knallte er auf den Tisch, ohne Amandine auch nur eines
Blickes zu würdigen. Es schien, als galt seine komplette Aufmerksamkeit nur
mir. Seine Begleitung stand vor mir. Klein, breite Oberschenkel, Flip Flops,
nur mit Slip und einem Fetzen Stoff bekleidet, der die Brüste nicht bedeckte. „Nummer 105“, durchbrach Amandine meinen Moment der Beobachtung. Er drehte sich
um – seine Begleitung folgte. Und die Tür mit der Nummer 105 wurde
verschlossen.
- „Ist schon komisch, oder? Hier zu
sitzen, zu kassieren und zu wissen, was wohl passieren wird.“
„ Jep, es ist ein Job mit vielen
Geschichten. Und vielen Schicksalen. Vor allem in einem Land wie Kamerun, in
dem Homosexualität verboten ist. Das da drin wird jetzt auf jeden Fall eine
Weile dauern.“
Das erleichterte mich etwas, wollte
ich doch unbedingt vor dem Öffnen der Türe den Schauplatz verlassen haben.
Die von Amandine angekündigte Weile dauerte
um die drei Minuten. Die Tür sprang auf und nackte Brüste hüpften im
Gleichschritt des Ganges über den Hof in unsere Richtung. Das war zumindest das Erste was ich vernahm.
„Er will sie.“ Dabei nickte seine
Begleitung in meine Richtung.
„ Das hatten wir schon geklärt. Sie
hat kein Interesse. Und das hat sich nicht geändert. Zudem ist sie eine
Freundin des Hauses. Er soll sich nicht so anstellen.“ Amandine verteidigte
mich.
Ich blickte dankend zu Armandine und
stand auf. „Ist wohl besser, wenn ich gehe“, meinte ich in die Runde.
„Ja, das ist gut. Dann kann ich besser
verhandeln und kann auf meinen Marktwert harren“, kam von der Halbnackten entgegen. Ich musste
schmunzeln, das wolle ich natürlich nicht und winkte in die Runde. Michel und
Bernard grinsten mich an. Ja, die beiden hatten ihren Spaß. Eine Weiße, die den
Marktwert einer kamerunischen Prostituierten in einem schwarzafrikanischen
Stundenhotel nicht in Gefahr bringen wollte.
Auf dem Balkon gab es noch Wein. „Na,
genug Studnenhotel-Luft geschnuppert?“, wurde ich geneckt. Meine Blicke glitten
wieder zu Amandine. Erneut Perspektivenwechsel. Wir sitzen im Dunkeln und ich
sah die Prostituierte mit ihrem Kunden vor Armandine stehen. Ich konnte nur ein
Murmeln vernehmen. Zu laut war der Lärm des Straßenverkehrs, der von der
belebten Straße in die Einfahrt schwappte. Er ging zurück ins Auto und fuhr
fort. Auch die halbnackte Sie machte sich auf den Weg durch das Hoteltor in die
Nacht. Es hat inzwischen leicht zu regnen begonnen. Ich machte mich zurück die Treppen
hinunter auf meinen Platz neben Amandine, Bernard und Michel.
„Diplomat und wollte nur 5000 CFA
zahlen. Und er wollte es hart von hinten mit Peitsche“, wurde mir sofort
erzählt, ohne dass ich nachfragte. Also knapp acht Euro wollte der Funktionär
für die Dienstleistung zahlen. Er weigerte sich mehr zu zahlen, da er mich ja
auch nicht haben konnte. Da brach die Prostituierte ab. Also no business, wie
Amandine es nannte, aber der findet schon noch eine.
„Dann hat er aber heute ja richtig
Pech“, necke ich. Wir vier lachten und beobachteten, wie sich die Tür von 102
öffnet.
Es wurde mir dann doch ein wenig zu
viel mit dem Nachtalltagskarussel, in das ich in dieser Nacht so geschlittert
bin. Er sei ein Stammgast, ein guter Kunde für’s Hotel, aber ein schlechter
Kunde für die Frauen, da er nicht sehr respektvoll sei. Und seine Preise seien
nur selten fair. Er nimmt sich, was er will. Funktionär. Araber. Immer mit
Dienstwagen unterwegs. Auch Politiker finden Wege hierher. Amandine hörte nicht
mehr auf zu erzählen. Die Tore werden dann geschlossen, Lichter erloschen und
alle Zimmer komplett vermietet. Worüber vor diesen Toren auf den Straßen nicht
gesprochen wird, ist hier Alltag.
Instant-Kaffee-Zubereitung |
Ich atmete lange ein. Irgendwie fühle
ich mich etwas schwindelig so mittendrin. Und um drei Uhr morgens.
„Wie wär’s mit einem Kaffee, Leute?“,
fragte ich in die Runde.
Bernard begleitet mich zur Imbissbude
über die Straße. Alleine solle ich hier um die Uhrzeit nicht mehr unterwegs
sein. Nicht als Weiße. Nicht als weiße Frau. Und man weiß nie, wo sich der
Araber herumtreibt, wenn er hier in der Nähe auf der Suche ist, so Amandine
weiter.
Warum ich nicht verdammt nochmal ins
Bett gehe? Das ist wohl die Droge eines jeden Journalisten. Der Kick. Der Reiz,
in eine für einen doch so neue Welt einzutauchen und Geschichten zu hören, zu
erfahren und sie selbst zu erleben. Nicht einfach nur daneben stehen oder
beobachten. Dabei sein.
Wir trinken den Instant-Kaffee.
Wohltuendes Gefühl von Koffein durchrauschte den Kopf.
Wieder Scheinwerfer. Er war zurück.
Ich blickte zu Bernard. Keine Sorge, dir passiert hier nichts, versicherte er
mir. Aber ich musste mir eingestehen, dass sich so etwas wie Angst in meinen
Körper schlich. Ein Bauchgefühl. Du brauchst wirklich keine Angst haben, so
Bernard erneut. „ Ich habe eine Pistole unter dem Pullover. Du bist hier
sicher. Und für ihn ist die Treppe die Grenze. Er hat keinen Zutritt zum
Hotelbereich.“ Naja. Da gab es weder eine Tür noch einen Zaun im sogenannten
Hotelbereich. Also er hätte sich leicht hinschleichen können. Und selbst ich
würde die Hotelzimmer mit einer meiner Haarnadel knacken können. Bevor mein
Kopf noch weitere Fantasien spinnen konnte, stand er bereits wieder vor dem
Tisch. Dieses Mal zwei junge Mädels als Begleitung. Beide in orange gekleidet.
Die eine kurzhaarig, die andere mit langen schwarzen Kunsthaarlocken. „Hast du
noch Kekse?“, fragte er Bernard. Ne, seien schon alle weg.
Er ging hinaus in die Straße. Amandine
erinnerte mich daran, dass ich wieder atmen könne. Ich hatte die Luft angehalten.
Während er Kondome organisierte,
fragte ich die Mädels nach ihrem Alter. 16 und 18.
Zimmer
106 wurde geschlossen. Die 16-Jährige mit den langen Locken zog die Vorhänge
zu. Wir blickten einander noch kurz an. Und sie hob als kleine Grußgeste die Hand.
Kurz danach hörte man Schläge und Stöhnen durch die verschlossene Tür. Amandine
stellte wieder ihre Handymusik an. Die Stimme von Celine Dion tönte durch die
Nacht.
Ich verabschiedete
mich. An Schlafen war kaum zu denken. Die wenigen Stunden bis Sonnenaufgang
wachte ich immer wieder von dumpfen Geräuschen auf. Eine ganz normale Nacht in
Yaoundé. Und für mich doch so einzigartig. War es doch meine erste Nacht - so als Co-Rezeptionistin eines Stundenhotels.
Nachttreiben in Yaoundé |
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