Weihnachten ist ein Gefühl

Der Sprühschnee klebt an den Scheiben. Er formt Sterne und Schneemänner. Die Tür wird von Weihnachtslichtern eingerahmt. Wild blinken sie in rot und grün. Daneben steht er. Ein hüfthoher Weihnachtsbaum aus Plastik. Aber er erinnert mich an zu Hause. Trotz der dicken Lametta-Decke, die das Nadelkleid versteckt.

Zu mir schwappt neues Stimmengewirr. Ich sitze vor meinem Foster's. Meine Arbeitsklamotten immer noch an meinem Körper. Nach meiner letzten Schicht vor Weihnachten hat es mich hierher verschlagen. Wie hier doch mein Abenteuer "Down under" begann! Auch hier im Pub hatte ich vor sechs Monaten gefragt, ob man nicht noch jemanden für die Bar bräuchte. Leider nein. Also ging der Bewerbungsmarathon weiter und heute bin ich Weihnachtsbaumdekorateurin in Sydney. Verrückt, wie das Leben so spielt.

Weihnachten mit anderem Look
"Noch ein Bier?" - Josh, der Kellner, kennt mich. Ich bin hier immer wieder, da der Pub oft auf meinem Weg zum Bahnhof liegt. Er kommt auf mich zu und stellt ohne meine Antwort abzuwarten mir eine neue Flasche vor die Nase. Was er wohl an Weihnachten macht? Ich frage nicht. Stattdessen schaue ich dem Treiben auf den Straßen zu und denke an zu Hause. Vorhin erst habe ich mit Paps telefoniert. Dort gibt es weiße Weihnachten und er hatte heute wieder Müh, das Auto frei zu kratzen. Ein Weihnachtsbaum aus Plastik - das wäre mir in Deutschland nicht untergekommen.

Rote Nase
Neben der Tür tanzt ein Känguruh im Nikolauskostüm und begrüßt die Pub-Gäste. Wie anders hier Weihnachten irgendwie aussieht. Draußen sind es 40°C und ich spüre den Sonnenbrand auf meiner Nase. Immer wieder springt die Türe auf und Gäste in FlipFlops laufen Richtung Bar. In zwei Stunden bin ich am Bondi Beach verabredet. Das wird mein erstes Weihnachten im Sommer. Das erste am Strand sowieso. Auf der Toilette streife ich die Arbeitsklamotten ab und ziehe mir mein Sommerkleid über. Zeitlich hätte es mir nicht mehr nach Hause gereicht, daher habe ich die Wechselklamotten schon dabei. Und die Flipflops. Die sind hier wichtig im Sommer. Mit meiner roten Nase fühle ich mich dann auch gleich wie Rudolph, das Rehntier. Es geht also doch, die Sache mit der Weihnachtsstimmung im Sommer.


 Besinnlichkeit am Strand
"Geht's nach Bondi?" - Josh ist neugierig, wo ich Weihnachten feiere. "Jup. Ich bin Weihnachten zum ersten Mal am Strand und treffe dort meine Freunde aus der WG." Hört sich gut an. Weihnachten mit Freunden feiern, obwohl man so weit weg von seinen Liebsten ist.
Ich zahle mein Bier. Josh wünscht mir schöne Weihnachten. Ich soll kein Heimweh haben, ich hätte doch liebe Menschen um mich - auch hier am anderen Ende der Welt. "Christmas is not a season. It's a feeling, Katie." Ich umarme ihn für diese Worte. Danke. Recht hat er. Bondi, ich komme. Merry Christmas.

Christmas is not a season. It's a feeling.

Schöne Weihnachten an euch alle. 

Freuen wir uns auf das, was im neuen Jahr kommt.

*Dieser Text ist aus meinem Reisetagbuch als ich in Australien gelebt habe und zum ersten Mal statt Schnee heißen Sand unter den Füßen hatte. *