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Monday, September 16, 2013

Ich bin dann mal Rezeptionistin - im Stundenhotel in Yaoundé #1



Das Hotel liegt bei Bastos, dem Viertel des guten europäischen Kaffees und vieler internationaler Lokale. Hotel und Stundenhotel in einem. Zimmer der erste Etage für die, die ganze Nächte schlafen wollen. Zimmer im Erdgeschoss für die, die ins Hotel nicht zum Schlafen kommen. Klare Sache. Per Zufall fanden wir in einer regnerischen Nacht in Yaoundé dieses zentralgelegene Etablissement (Artikel hier).



 Von unserem Zimmerbalkon hatten wir freie Sicht auf das Treiben im Innenhof – und das Kommen und Gehen der Erdgeschossgäste. Und tun wir das nicht alle gerne? Menschen beobachten. Gucken. Neugierig sein. Eben. Und dazu hatten wir noch einen mündigen Bordeaux im Kerzenschein zur Hand. Gläser gab’s nicht. Also Plastikflaschen köpfen und umfunktionieren - zum stilvollen Rotweinglas. Und dann: Weltkino live. Die Nachtrezeptionistin Amandine *saß mit Bernard*, dem Sicherheitsbeauftragten und Putzmann Michel* (*Namen geändert) auf der anderen Seite des Gebäudes auf losen Holzstühlen. Michel wuselte immer wieder mit frischen Laken über den Hof und Bernard wies hin und wieder die Autos in die richtige Parklücke vor die jeweiligen Zimmer. Dann fanden die Zimmersuchenden den Weg zu Amandine an ihren Holztisch. Wenige Worte wurden ausgetauscht. War das Ziel doch klar. Nummer 101 bis 110. Irgendwo dazwischen standen vier dünne Wände mit einem Doppelbett bereit.

Unsere Weinflasche noch halbvoll. Kurz vor Mitternacht. Autos kamen rein und raus und hin und wieder mussten sich die Pärchen noch etwas gedulden, da so reger Betrieb herrschte.


„Katie – kannst du kurz kommen?“ – Amandine stand vor unserem Balkon und blickte zu uns nach oben.
Ich war etwas verdutzt, was die Nachtrezeptionistin von mir um Mitternacht möchte, wenn sie doch momentan alle Hände mit der Zimmerverteilung zu tun hatte. Ich ging aus dem Zimmer, die Treppen hinunter.
- „Alles ok, Amandine?“ Sie kam auf mich zu und flüsterte.
„Er will dich.“ Ihr Kopf nickte in die Richtung des Hoteltors. Dort im Schatten stand ein Mann, der in unsere Richtung blickte. Ich schätzte ihn südländisch ein –vielleicht Araber oder Südeuropäer.
- „Wie er will mich?“
Er will dich für die komplette Nacht. Hat euch da oben auf dem Balkon beobachtet. Blond ist nichts für ihn. Aber du als Brünette gefällst ihm. Ich soll dich fragen, ob du Interesse hast.“
- „Amandine, nicht dein Ernst jetzt, oder? Weißt du, wie alt der Typ ist?“
„Ich weiß, Schätzchen. Hab’ ich auch zu ihm gesagt. Aber er wollte nicht aufhören, mich zu nerven, dass ich dich frage.“
- „Sag’ ihm, ich bin verlobt und habe kein Interesse.“
Amandine zwinkerte mir zu, wendete sich ab und ging mit dieser Absage zu ihm. Die beiden sprachen.
Unsere Blicke trafen sich. Seine Gesichtszüge blieben starr.
Zurück im Zimmer. „Alles ok, Katie?“, wurde ich gefragt. „Jep, alles tutti, aber ich brauche noch ein Glas Wein.“
In meinem Kopf sind viele Fragen. Seit wann hat er mich beobachtet? Wer ist er?


Kurze Zeit später saß ich neben Amandine und beobachtete das Treiben aus einer neuen Perspektive. Eine Nacht als Co-Rezeptionistin eines Stundenhotels. Das war zu verlockend. Ich beobachtete sie – wie sie fein säuberlich die Zimmerbelegung notierte. Minutengenaue Zeitangabe und bereits getätigte Zahlungen. Anonym, ohne Namen.
„Er hat dich schon länger aus dem Dunkeln dort hinten beobachtet, weil er hier auf eine Frau gewartet hatte.“
- „Wo ist er jetzt?“
„Er kommt wieder.“
Nicht die Antwort, die ich hören wollte.

Amandine arbeitet hier seit einem Jahr. Dieser Nachtjob hält sie über Wasser, wie sie mir erzählte. Tagsüber arbeitet sie als Krankenschwester. Eine Zimmertür öffnete sich und Mann und Frau steigen ins Auto.
„Er lässt sie vorne an der Straße aussteigen. Dann kennt man sich nicht mehr“, erklärte mir Amandine. Der Fahrer blickte im Vorbeifahren zu uns und nickte. Amandine nickte zurück. „Stammgast.“ Michel kommt schon aus dem Zimmer und bringt die gebrauchten Laken in einen Raum am anderen Ende des Hofes. Es dauerte nicht lange. Der nächste Gast. Auch er bezahlte im Voraus für die erste Stunde 2000 kamerunische Francs, etwa vier Euro. „Manchmal bleibt die Tür auch für vier bis fünf Stunden verschlossen“, erzählte mir Amandine „spätestens um 12 ist Check-out und ab halb 12 klopfen wir und schauen nach, ob alles ok ist.“
-„Was soll denn nicht ok sein?“, fragte ich nach.
„Wir hatten hier schon alles, Katie. Drogen. Blut. Narkose. Diebstahl. Waffen. Mord. Manche Prostituierte tun vieles, um an Geld zu kommen.“ Keine sei hier ein liebes Mädchen, aber alle kämpfen für die eigene Familie und die eigenen Kinder, so Amandine weiter. Schließlich sei die Schule und Ausbildung teuer.

Autoscheinwerfer blendeten uns und unterbrachen unsere Unterhaltung. Ein BMW mit grünem CD- Kennzeichen. Car diplomatique.
Als er an uns vorbeifuhr, trafen sich unsere Blicke erneut. Die Anspannung in mir wuchs und ich änderte meine Sitzposition. Ich wechselte zu einem aufrechteren Sitz. Amandine merkte meine Stimmungslage und lacht „Ich hab’s dir doch gesagt.“

Die Nacht ist noch lange nicht zu Ende. FORTSETZUNG FOLGT ...

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